Zum Inhalt springen

Karl Amadeus Hartmann: Gesangsszene

April 11, 2015

Morgen 11 Uhr Matinée im Nationaltheater München
5. Akademiekonzert der Saison 2014/15
Kirill Petrenko dirigiert das Bayerische Staatsorchester, Christian Gerhaher Solist

Zu Vorbereitung des mir unbekannten Programmteiles:

Gesangsszene für Bariton und Orchester, komponiert 1961/1963, uraufgeführt in Frankfurt 1964

Textvorlage
Jean Giraudoux – Sodom und Gomorrha

Das ist der schönste Spielbeginn, den die Zuschauer je erlebt haben!
Der Vorhang hebt sich, und vor ihren Augen steht der Oberste der Erzengel. Sie sollen ihr Glück rasch auskosten – es wird nicht lange währen. Und das Schauspiel, das dann folgt, wird vielleicht grauenvoll sein! Man sagt, daß Sodom und Gomorrha mitsamt ihrer Herrschaft bis nach Indien hin und die Macht ihres Handels und ihres Geistes über die Welt zunichte werden sollen!

Das ist nicht das Schlimmste! Und darum geht es auch gar nicht!
Andere Reiche sind zunichte geworden. Und ebenso unverhofft!

Wir alle haben Reiche stürzen sehen, und gerade die festesten und gerade diejenigen, die am raschesten wuchsen und deren Dauer am sichersten verbürgt schien. Reiche, die eine Zierde dieser Erde und ihrer Geschöpfe waren! Auf dem Höhepunkt der Erfindungskraft und des Talents standen sie mitten im Rausche des Lebensgenusses und der Welteroberung. Ihr Heer war kraftvoll und jung, die Vorratsspeicher waren gefüllt; in den Theatern drängten sich die Besucher; in den Färbereien entdeckte man das Geheimnis, das reine Purpurrot und das makelloseste Weiß herzustellen; in den Bergwerken fand man Diamanten und in den Zellen Atome.

Man zauberte Symphonien aus der Luft und Gesundheit aus dem Meere. Tausend System wurden ausgeklüngelt, um die Fußgänger vor den Gefahren der Straße zu schützen; man hatte Mittel gegen die Kälte, gegen die Nacht und gegen die Häßlichkeit; Bündnisse sicherten die Menschen gegen den Krieg; alle Gifte und Drogen waren aufgeboten, um die Krankheiten der Reben und schädliche Insekten zu bekämpfen; Hagelschlag wurde durch wissenschaftliche Gesetze im voraus berechnet und seine Wirkung aufgehoben.

Und da – mit einem Male – erhebt sich binnen ein paar Stunden ein Übel und befällt den gesündesten und glücklichsten aller Körper! Das Übel der großen Reiche! Das tödliche Übel!
Und nun ist das Gold da und häuft sich in den Banken, aber selbst Heller und Sou verlieren ihren Wert. Ochsen sind da, Kühe und Schafe, aber die Menschen leiden Hunger. Alles bricht nun plötzlich über das Reich herein; von der Raupe bis zum Erbfeind und den Pfandbriefen Gottes. Sogar da, wo man es für alle Zeiten verbannt glaubte, erhebt das Übel sein Haupt: man sieht den Wolf inmitten der Großstadt und die Laus auf der Glatze des Milliardärs. Und in dem Sturm und Wogenpreall, in diesem Krieg aller Kriege, bleibt nichts als Bankrott und Schande,

das vor Hunger verzerrte Gesicht eines Kindes, der Schrei einer Wahnsinnigen und der Tod.

In jedes Vogellied hat ein grauenhafter Ton sich eingeschlichen; ein einziger nur, doch der tiefste Ton aller Oktaven – der des Todes. Und die Schwalben steigen hoch, weil die Erde heute ein Kadaver ist und alles, was Flügel hat, aus ihrer Nähe flieht.

Und die Bäche sind klar und spiegelblank die Quellen, aber ich habe das Wasser gekostet: es ist das Wasser der Sintflut.

Und die Sonne brennt, aber ich habe ihre Wärme mit der Hand geprüft: es ist siedendes Pech.
Und aus der Kehle der Schwalbe wird der Donner des Unerbittlichen losbrechen. Und aus dem Einschnitt der harzigen Zeder werden die Tränen des Weltunterganges rinnen.

Es ist ein Ende der Welt!
Das Traurigste von allen…

Exemplarische Einspielung: Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Rafael Kubelik mit Dietrich Fischer-Dieskau

One Comment leave one →
  1. April 8, 2016 14:38

    u0425u043eu0447u0443 u0438u043du0432u0430u0439u0442 u043du0430 u043bu0435u043fu0440u0443 u0438u043bu0438 u043du0430 u0443u043fu044fu0447u043au0443.))) Click https://twitter.com/moooker1

Hinterlasse einen Kommentar