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Richard Strauss: Der Rosenkavalier

April 3, 2015

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Anja Harteros mit ihrer gegenwärtig maßstabsetzenden Interpretation der Feldmarschallin war Grund und Anlass für meinen Besuch der Osterfestspiele der Berliner Philharmoniker in Baden-Baden, wo ein ebenso maßstabsetzender Octavian vergangener Tage, Brigitte Fassbaender, mit der Inszenierung betraut war.

Wie das immer so ist mit den Maßstäben – sie können täuschen.

Erich Wonders diabeworfene, durchsichtige Vorhänge zeigen im ersten Akt das Panorama einer Großstadt am Abend. Dahinter wurde gerannt und geskatet. Davor stand eine überlange gepolsterte Bank statt des erwarteten Lotterbettes. Die Marschallin im vorteilhaften Negligée, das vor dem Lever gegen ein barockes Modell getauscht wurde, gekrönt durch Hypollits lächerliches Frisurmonstrum, das aus der schönen Marschallin in der Tat ein altes Weib machte. Bei den Kostümen des morgendlichen Aufmarsches hatte man voll in die Farbkiste gegriffen, vielmehr daneben. Sie waren so bunt wie das Völkchen, das antichambrierte.

Der zweite Akt wurde ausstattungsmäßig von an die 10 Nähmaschinentischchen mit Stühlen dominiert, auf denen offenbar die fehlende Raumdekoration des Faninalsche Stadtpalais hergestellt wurde; einstweilen hatte man sich mit den Wonder-Vorhängen zu begnügen. Die gute Nachricht: Es blieb bei Bums-Versuchen der Lerchenauer Horde; das Faninalsche Personal kam davon. Höhepunkt: Ein Inlineskater bringt die Rose, immerhin überreicht er sie nicht. Reichlich Abstand zwischen Sophie und Octavian sorgt dafür, dass sich zwischen den beiden ja nichts anspinnt.

Dritter Akt. Niemand wundert sich mehr über Wonders Vorhänge, höchstens datüber, dass sich hinter ihnen eine Art Schwimmbad auftat, das sich im Laufe des Aktes als ein vernebeltes Tal entpuppte. Großer Tisch zwei Stühle, Gestell mit Vorhang, Pritsche dahinter für das Theater im Theater. Hinter den Vorhängen Gerenne und Geskate. Auch hier wieder der Inlineskater als der Regisseurin bester Einfall: Er überreicht zwar nicht die Rose aber doch die Pizza für das Liebesmahl im letzten Akt.

Über die bemüht moderne und doch so plumpe Inszenierung hätte ich hinwegsehen können, wenn denn der musikalische Teil überzeugend gewesen wäre. Natürlich sind die Berliner Philharmoniker ein hervorragendes Orchester und Simon Rattle ein ebensolcher Dirigent. Dennoch fehlte mir persönlich bei Simon Rattles Sichtweise auf Strauss‘ Rosenkavalier etwas. Zahlreichen Gesprächen im Publikum entnahm ich, dass es nicht nur mir so erging. Wenn die Intention war, den Rosenkavalier zu entkitschen, hätte man zwar in der Tat bei den Walzern ansetzen können/müssen. Statt sie zu versachlichen, wäre möglicherweise ihre Brüchigkeit herauszuarbeiten gewesen, das kaputte Verborgene in ihnen. Bei mir kam akademisch perfektes Spiel an, eine entwalzerte Partitur. Ein musikalischer Hochglanz Rosenkavalier entbehrt für mich jeder Attraktivität. Die Erotik zwischen Theres und Quinquin im ersten Akt, die Torschlusspanik der Marschallin, die aufkeimende Erotik zwischen Sophie und Oktavian, ein bisschen Wiener Dekadenz und allerhand Philosophisches – wenn es schon die Bühne nicht schafft, die Illusion zu vermitteln, sollte wenigstens aus dem Graben Futter für die Fantasie erwachsen. Nichts davon. Von Technokratie kann ich nicht leben. Zumindest nicht in der Oper.

Erwartungsgemäß keine Enttäuschung brachte der vokale Teil des Rosenkavalier, für mich das vielleicht wichtigste Drittel der Aufführung. Angefangen bei den kleineren Rollen, beispielsweise der Jungfer Leitmetzerin, auf die Irmgard Vilsmaier schon fast abonniert zu scheint sein und der sie wie immer Charakter verlieh über die exponierte und schwere Rolle des Sängers, den Lawrence Brownlee umwerfend und mit einem Augenzwinkern sang.
Clemens Unterreiner sang einen schon fast aristokratischen Faninal, während Peter Rose dem Ochs gerade so viel Wienerisch angedeihen liess um nicht zu nerven. Ich mag den Ochs nicht zu klamaukig, deshalb volle Zustimmung zu Peter Rose. Sophie hätte ich mir etwas silbriger gewünscht; Anna Prohaska sang gewohnt gut, allerdings schien ihr der Charakter nicht ganz zu liegen.

Magdalena Kožená überraschte mit einem gut verständlichen, etwas hellen, aber sehr akzeptablen Octavian, dem ich durchaus darstellerisch etwas abgewinnen konnte. Allerdings prickelte es weder in der Konstellation Theres – Quinquin / Harteros – Kožená noch in der Beziehung Sophie – Octavian/Prohaska – Kožená.

Allzu oft durfte ich Anja Harteros als Feldmarschallin nicht erleben. Ihr Rollendebut in der alten Schenk Inszenierung in München hat mich damals schier weggetragen und so war es jedes Mal, wenn ich sie als Marie-Theres hören durfte. Die Art und Weise, wie sie sowohl durch Körperausdruck als auch mit Stimmfarben und dynamische Veränderungen der Stimme die Befindlichkeiten der Marschallin ausdrücken kann, finde ich aussergewöhnlich. Der Fundus ihrer Ausdrucksmöglichkeiten scheint unerschöpflich; sie hat sowohl die aristokratische Lady drauf als auch die kindisch-verliebte Mittdreißigerin mit Anflügen von Torschlusspanik, und alles erscheint authentisch und wahr. Im „Hab‘ mirs gelobt” des letzten Aktes, Einleitung zum Trio, das übrigens überirdisch schön erklang, zeigt Marie-Theres dann auch die menschliche Größe, die ihren Rollencharakter letztlich auszeichnet.

Insofern war meine Reise nach Baden-Baden keineswegs ein Irrtum, wenn auch das Festspielhaus an sich einen atmosphärelosen Eindruck hinterließ.

Richard Strauss / Hugo von Hofmannsthal
Der Rosenkavalier
Festspielhaus Baden-Baden
Aufführung vom 30. März 2015
• Sir Simon Rattle Musikalische Leitung
• Brigitte Fassbaender Inszenierung
• Erich Wonder Bühnenbild
• Dietrich von Grebmer Kostüme
• Franz David Licht

• Anja Harteros Feldmarschallin
• Peter Rose Baron von Ochs
• Magdalena Kožená Octavian
• Anna Prohaska Sophie
• Clemens Unterreiner Faninal
• Carole Wilson Annina
• John In Eichen Polizeikommissar
• Lawrence Brownlee Ein Sänger
• Irmgard Vilsmaier Marianne Leitmetzerin
• Philharmonia Chor Wien
• Berliner Philharmoniker
• Cantus Juvenum Karlsruhe

One Comment leave one →
  1. Dezember 28, 2015 16:19

    Das album NecroPedoSadoMaso ist einfach das beste aus black metal… 47 gibt es nicht leugnen https://blackmetalde.wordpress.com/2015/12/26/necropedosadomaso-das-beste-aus-black-metal/

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