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Marcello Viotti

Februar 20, 2005

Marcello Viotti ist gestorben. Er wurde nur 50 Jahre alt.

Sein künstlerisches Schaffen wird auf der HP des BR beschrieben, im Zusammenhang mit dessen geplanter Schliessung des Rundfunkorchesters er Ende 2004 seinen Chefposten dort aufgab.
rossignol am 18.2.05 16:13

Gewagt:

KOMMENTAR zum Tode Marcello Viottis aus der Ebersberger Lokal-Ausgabe des Münchner Merkur 18.2.05

Scheinheilig

1992 dirigierte ein damals nur Insidern bekannter junger Mann im Münchner Prinzregenten-Theater eine konzertante „Carmen“ mit Elena Zaremba in der Titelpartie an vier Abenden. Drei davon besuchte ich, einmal sogar mit Freunden aus Wien, die extra angereist waren. Wir alle waren überaus begeistert von diesem Dirigat und ich ließ mir von ihm eine Widmung in meinen Klavierauszug dieser Oper schreiben. Dieser Mann hieß Marcello Viotti. Es war ein unspektakulärer Musiker, der den in den vielen Nachrufen gebrauchten Begriff „Pultstar“ sicher nicht gemocht hätte. Während andere „Jetset-Stars“ überwiegend ihrer Eitelkeit frönen, stellte er nie seine Persönlichkeit in den Vordergrund, sondern diente immer nur dem Werk. Er nannte sich selbst einen „Briefträger“ und nie einen „Briefeschreiber“, wie gestern im Nachruf des Münchner Merkur zu lesen war, der übrigens auch erfreulicherweise nicht den scheinheiligen Nachruf des BR-Intendanten abdruckte.

Der Tod Viottis wird nicht zu trennen sein von den Querelen der letzten Monate, dem unwürdigen Schauspiel der BR-Intendanz und den Auflösungsbeschlüssen des Münchner Rundfunkorchesters (RO), das 45 Prozent Steigerung der Besucherzahlen verzeichnen konnte. Während das RO, das unter Viottis Leitung wirklich zum „erstaunlichsten Orchester“ Münchens mutierte (mit Konzertreihen für Senioren, Kinder und Jugendliche, Schulveranstaltungen und vor allem der weltweit einmaligen Reihe „Paradisi Gloria“) und gut genug war, um 2004 die Bayerische Landesvertretung in Brüssel einzuweihen, wurde zum selben Zeitpunkt der Garaus in München beschlossen, vom Intendanten des BR und der Bayerischen Staatsregierung, die jetzt zum Tode Viottis Betroffenheit heucheln. Natürlich ist es Spekulation, ob die Schlaganfälle Viottis nicht stattgefunden hätten, wenn man nicht so mit ihm und dem RO verfahren wäre, aber seiner Gesundheit waren diese fadenscheinigen Maßnahmen sicher nicht förderlich. Warum gibt es übrigens noch immer kein gemeinsames Sparkonzept für den BR? Warum soll nur das Rundfunkorchester geopfert werden? Weltweit gibt es 65 000 Unterschriften (allein 55 000 aus Bayern), darunter die von vier Ministern und vielen anderen großen Persönlichkeiten, die gegen die Auflösung protestieren.
Viotti hat sich in diesen schweren Zeiten vor seine Musiker gestellt und um den Erhalt des Orchesters gekämpft. Ein Freundeskreis des Orchesters tut dies ebenfalls. Wir an der Musikschule Vaterstetten haben 236 Unterschriften gesammelt. Leider konnte Viotti einen eventuellen Erfolg der Aktion nicht mehr erleben. Wir alle werden ihn sehr vermissen. Ich hatte schon für die „Traviata“ im Sommer in Salzburg Karten bestellt. Leider wird er diese Aufführungen und viele andere geplanten (wie z. B. den „Parsifal“ in Venedig) nun nicht mehr dem begeisterten Publikum schenken können. Die wohlverdiente Ruhe kam für ihn und uns viel zu früh.

*) Kurt Schneeweis ist Leiter der Musikschule Vaterstetten.

SCHNEEWEIS

rossignol am 20.2.05 23:45

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